Verfasserin: Sandra Sariego Pérez, Steuerberaterin und Juristin bei Bové Montero y Asociados

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Die Globalisierung und der technologische Fortschritt haben in jüngster Zeit einen radikalen Wandel des internationalen Geschäftsmodells bewirkt. Einige Unternehmen haben Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle unter anderem dazu genutzt, ihre Gewinne in Länder mit niedriger oder gar keiner Besteuerung zu verlagern.

 

Diese Situation, die zweifellos für jeden einzelnen Staat eine Herausforderung war – und es weiterhin ist, während auf internationaler Ebene noch Steuerharmonisierungsregelungen geprüft und vereinbart werden – sowie für multilaterale Organisationen aus einer globaleren Perspektive, hat sich durch die Corona-Pandemie erheblich verschärft, da zahlreiche Arbeitnehmer in anderen Ländern als denen ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Arbeitsortes festsaßen. So ist die Telearbeit Realität geworden und wird es auch in Zukunft bleiben.

 

Infolge der Pandemie haben viele Unternehmen hybride Telearbeitsmodelle als Teil ihrer Geschäftspolitik eingeführt, was uns zu einem Szenario führt, das zwar nicht völlig neu ist (wir sollten nicht vergessen, dass es die internationale Mobilität von Arbeitnehmern schon immer gegeben hat, wenn auch in geringerem Maße als heute), aber neue Herausforderungen für die internationale Besteuerung mit sich bringt. Insbesondere führt dies zu der Möglichkeit, dass die Telearbeit das Bestehen einer Betriebsstätte in dem Land, in dem sich der Arbeitnehmer befindet, begründet, mit den entsprechenden steuerlichen Auswirkungen (z.B. könnte sie eine Besteuerung unter dem Gesichtspunkt der direkten Steuern auslösen, was die Unternehmen stets zu vermeiden versuchen).

 

Angesichts dieser internationalen Lage sollten sich Unternehmen und Institutionen erstens die Frage stellen, ob sie rechtlich auf diese Veränderungen vorbereitet sind, und zweitens darüber nachdenken, ob die derzeitigen internationalen Vorschriften eine klare Antwort auf solche Situationen geben. Unserer Meinung nach ist dies in beiden Fällen zu verneinen, obwohl die Generaldirektion für Steuern in Spanien bereits einige Verlautbarungen zu diesem Thema herausgegeben hat. Auf internationaler Ebene kann die Telearbeit in zwei Bereichen grundlegende Auswirkungen haben: zum einen auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Artikel 15 des OECD-Musterabkommens) und zum anderen auf den Begriff der Betriebsstätte (Artikel 5 des OECD-Musterabkommens).

 

Wir konzentrieren uns bei unserer Analyse auf letzteres, da wir der Auffassung sind, dass die Telearbeit hier die größten Auswirkungen haben könnte. Wenn wir uns den Bestimmungen des oben genannten Artikels 5 zuwenden, gibt es mehrere Fälle, in denen Telearbeit in Frage kommen und das Risiko des Bestehens einer Betriebsstätte begründen könnte, entweder durch einen abhängigen Vertreter oder eine feste Geschäftseinrichtung, obwohl wir davon ausgehen, dass letzteres größere Auswirkungen haben könnte. Die Einstellung eines Telearbeiters – der seine Dienste von einem anderen Land aus leistet – kann bedeuten, dass das beschäftigende Unternehmen eine feste Geschäftseinrichtung in einem anderen Land hat. Aber trifft das immer zu oder müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein?

 

Telearbeiter und Unternehmen stehen vor einer Situation voller Ungewissheit

 

Neue Kriterien

Die internationale Regelung (wiederum Artikel 5 des OECD-Musterabkommens) legt keine spezifischen Anforderungen fest um abzugrenzen, unter welchen Bedingungen die Figur des Telearbeiters das Vorhandensein einer Betriebsstätte begründen kann – nicht alle führen dazu; darüber hinaus können die Bemerkungen zum Musterabkommen unterschiedlich ausgelegt werden (beispielsweise der dem Unternehmen zur Verfügung stehende Ort, „bestimmende“ Tätigkeit, geschäftliche Absicht, u.a.); all das zeigt, dass auf internationaler Ebene die Notwendigkeit besteht, Konzepte zu überdenken oder neue Kriterien aufzustellen, damit sie deutlich, genau und bestimmbar werden.

 

Was Spanien betrifft, so hat die Generaldirektion für Steuern in ihrer jüngsten verbindlichen Konsultation V0066/22 über einen dieser „Konfliktfälle“ entschieden, in dem ein Arbeitnehmer, der seine Dienste für ein in London ansässiges Unternehmen leistete, mitten in der Pandemie seine Tätigkeit von Spanien aus ausübte. Hier wurden die zu erfüllenden Voraussetzungen untersucht, damit eine Betriebsstätte in Spanien besteht – unter zwei Blickwinkeln: I) Die Ausübung der Tätigkeit in Spanien durch einen abhängigen Vertreter, d.h. eine Person, die im Namen des Unternehmens handelt und Befugnisse ausübt, die sie zum Abschluss von Verträgen in dessen Namen ermächtigen, und II) das Vorhandensein einer festen Geschäftseinrichtung, über die das Unternehmen seine Tätigkeit ganz oder teilweise ausübt (in diesem Fall wird in der Konsultation auf die Notwendigkeit verwiesen, dass das Unternehmen eine „Geschäftseinrichtung zu seiner Verfügung“ haben muss, ohne näher darauf einzugehen, was damit gemeint ist).

 

Es stimmt zwar, dass die nationale und internationale Entwicklung durch die allmähliche (und notwendige) Einführung von Begriffen gekennzeichnet ist, aber unserer Meinung nach sind diese neuen Begriffe in der Realität zu flexibel in ihrer Bedeutung und daher nicht sehr konkret. In Anbetracht dessen kann man nur zu dem Schluss kommen, dass die Staaten und die internationalen Einrichtungen zwar damit begonnen haben, die Auswirkungen der Telearbeit in der heutigen Zeit zu konkretisieren, sowohl in steuerlicher als auch in organisatorischer Hinsicht, dass aber die Unternehmen und Telearbeiter derzeit einer Situation voller Ungewissheit ausgesetzt sind – mit der sich daraus ergebenden Rechtsunsicherheit.