Autor: José Mª Bové. Vorsitzender von Bové Montero y Asociados.
Als Wirtschaftsprüfer stehen wir im Rahmen der Jahresabschlussaufstellung und -prüfung vor einem ungewöhnlichen Geschäftsjahr, das durch den Covid-19 bedingt ist. Was die Regulierung anbelangt, steht gleichzeitig die in Spanien jüngste Verabschiedung der Verordnung des Gesetzes über die Rechnungsprüfung im Vordergrund; damit wird Klarheit über die Prüfungsdurchführung, die Organisation der Unternehmen, den Handlungsrahmen der Regulierungsbehörde sowie weitere Aspekte, die in den Vorschriften zu berücksichtigen waren, geschafft.
Große Reformen -die in der Europäischen Union mit der Veröffentlichung der Richtlinie 2014/56/EU über die Abschlussprüfung und der Verordnung 537/2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung der Unternehmen von öffentlichem Interesse vollendet sind- werden unter dem Druck von Finanzskandalen ins Leben gerufen. Bei diesen Skandalen machen sich geschäftsführende Mitglieder nach den geltenden Bestimmungen des Zivil- und Strafrechts strafbar, wobei der Abschlussprüfer als Beteiligter ebenfalls betroffen sein kann, da er dafür verantwortlich gemacht wird, die tatsächliche finanzielle Situation des Unternehmens weder aufgedeckt noch offengelegt zu haben.
Die Nachwirkungen in der Finanzwelt waren in den vergangenen Jahren weitreichend: Enron, Parmalat, Carillion, BHS, Thomas Cook, Wirecard oder Pescanova, um nur einige zu nennen. Wenn auch in den Medien hochgespielt, sind die Ausnahmen -statistisch gesehen- durchaus vertretbar: 2019 wurden in Spanien 61.428 Audits durchgeführt und 63 Sanktionsverfahren durch das ICAC (spanisches Institut für Rechnungslegung und Abschlussprüfung) eingeleitet.
Weltweit setzt sich die in Großbritannien entbrannte Debatte um eine Reform der Abschlussprüfung in einigen Punkten fort, wie beispielsweise die Aufteilung und Absonderung von Prüfungsleistungen in multidisziplinären Unternehmen und die Verpflichtung zu Joint Audits bei Prüfungen von öffentlichem Interesse. In unserer spanischen Rechtsprechung verdient zudem die jüngste Veröffentlichung „Abschlussprüfung in Spanien. Mehrwert“ von der Registrierung von Rechnungsprüfern und dem Generalrat der Ökonomen besondere Aufmerksamkeit; es handelt sich dabei um eine wissenschaftliche Arbeit über den Beruf des Wirtschaftsprüfers mit wertvollen Beiträgen zu den Vorteilen des Joint-Audits in Unternehmen von öffentlichem Interesse.
Doch Tatsache ist, dass die bereits erwähnte große Reform von 2014 -die schmerzhafte Maßnahmen wie die obligatorische Rotation der Firmen nach zehn Jahren durchsetzte– keine positiven Ergebnisse im Hinblick auf die Markteröffnung für andere Firmen geliefert hat. Zwar wurde vielerlei geändert, doch es hat nichts oder kaum etwas gebracht.
Und in der Zwischenzeit treten neue Skandale auf, die abermals an der Rolle der Aufsichtsbehörden, Prüfungsausschüssen, Wirtschaftsprüfer und anderer beteiligten Akteure zweifeln lassen. Betrachten wir nun was in Deutschland passiert ist: Dort erschütterte der Knall des Zahlungsabwicklers Wirecard die Grundsteine des Aufsichtssystems des Landes -mit einem Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro und einem Insolvenzverfahren- und ließ ernsthafte Zweifel an den Kontrollmechanismen, einschließlich der Arbeit der Wirtschaftsprüfer, aufkommen.
Zum deutschen Problem hat vor kurzem die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), eine europäische Institution, die die Wertpapiermärkte in vergleichbarer Weise koordiniert und vertritt wie die CNMV in Spanien, ein Konsultationspapier (eine sehr empfehlenswerte 36-Seiten-Lektüre) veröffentlicht, in dem eine Reihe von Empfehlungen gegeben und auf die Notwendigkeit, “die Relevanz der Forderung nach gemeinsamen Prüfungen für große börsennotierte Unternehmen in der EU zu untersuchen“ hingewiesen wird.
Accountancy Europe (Föderation der europäischen Wirtschaftsprüfer) spiegelt seinerseits in seinem jüngsten Rundschreiben vom März die Nervosität wider, die in der Europäischen Kommission im Fall Wirecard herrschte, und zwar in einem solchen Umfang, dass zwei Europaabgeordnete (Luis Garicano und Sven Giegold) zum Ausdruck brachten, dass sich die Wirtschaftsprüfer in dieser Episode dem Druck der Führungskräfte des deutschen multinationalen Zahlungsunternehmens gebeugt und daher die Öffentlichkeit nicht über die festgestellten Probleme informiert hätten. Ferner argumentierte Luis Giegold, dass „die Tatsache, dass Unternehmen ihre eigenen Wirtschaftsprüfer bezahlen, ein grundlegender Systemfehler ist. Dadurch wird eine laxe Prüfung finanziell belohnt. Wer allzu kritische Fragen stellt, riskiert den Mandatsverlust …“ und fügte hinzu, dass „Wirtschaftsprüfer nicht von den Unternehmen, sondern vielmehr von einer dem öffentlichen Interesse verpflichteten Behörde bestellt werden sollten“.
Zusätzlich reichten beide Abgeordneten einen Reformvorschlag bei der EU ein und forderten das Europäische Parlament auf, eine Untersuchung des Wirecard-Skandals durchzuführen, die die Kontrolle durch die deutsche Finanzaufsicht (BaFin) sowie die EU-Aufsichtsbehörden ESMA und EBA bewerten sollte.
Nicht zuletzt ersuchten sie die Europäische Kommission um Überprüfung der EU-Regelungen im Hinblick auf die Abschlussprüfung, insbesondere die Bestellung und Vergütung von Abschlussprüfern, Interessenkonflikte, die bei der Erbringung anderer Dienstleistungen als der Abschlussprüfung entstehen können, und die übermäßige Konzentration des Marktes auf vier Unternehmen.
Angesichts dieses teutonischen Finanzskandals und anderer aufkommender Skandale – wie beispielsweise der der Finanzierungsgesellschaft Greensill (Großbritannien), die sowohl die Kontroll- und Alarmmechanismen nicht nur einzelner Länder, sondern auch auf EU-Ebene infrage stellen und erschüttern, drängt sich folgende Frage auf: Hätten diese Vorfälle verhindert werden können, wenn die Unternehmen statt von einer Firma von zwei Firmen geprüft worden wären?
Wahrscheinlich gibt es hierzu keine eindeutige Antwort, aber wir sind der Überzeugung, dass Joint-Audits in der Tat zu mehr Qualität, Sicherheit und Transparenz bei den Jahresabschlüssen führen. Seine Gegner führen als Gegenargument eine Erhöhung der Wirtschaftsprüferhonorare an, die nach verschiedenen Informationsquellen zwischen 2,5 und 5 % liegen kann, u.a. wegen des größeren Stundenaufwands für die Planung und Überprüfung der gegenseitigen Arbeit, die Abschlussbesprechungen mit den Mandanten oder die Diskussion, Untersuchung und Beilegung der Streitfragen.
Jedenfalls sind die erhöhten Honorare der Prüfungstätigkeit aufgrund eines Joint-Audits ein Tropfen auf dem heißen Stein – in Anbetracht des wirtschaftlichen Schadens und Verlusts an Vertrauen und Glaubwürdigkeit in die Institutionen, die infolge eines Finanzskandals bei den Sparern und dem öffentlichen Interesse im Allgemeinen entstehen.
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